Die 4. Welle ist da.
Darf ich eine Frage stellen? Wer gibt aktuell die Richtung vor? Wer hat das ‚Sagen‘ in der Politik? Scheinbar niemand. In einer existenziellen Krise nicht unbedingt von Vorteil. Die 4. Welle treibt gerade die Zahl der Infizierten, der schwer Erkrankten und damit auch der Toten in die Höhe. Aber keiner ist da, der für klare und einheitliche Regeln sorgt.
Damit aber nicht genug. Denn die steigenden Zahlen bedeuten gleichzeitig auch:
Erschöpfte und müde Fachkräfte.
Was mich an den Meldungen zur Pandemie wirklich wütend macht?
Meine Enttäuschung. Aus voller Überzeugung bin ich zwei Mal geimpft und hoffe damit seit Wochen auf die Rückkehr in ein weitgehend normales Leben. Auf weniger Einschränkungen. Auf weniger Angst vor einer Infektion. Auf mehr Umarmungen, die sich wieder gut anfühlen. Auf mehr herzliche Begegnungen für meine Kleine.
Doch leider kehrt das Leben einfach nicht, wie gewünscht zur ,,Normalität“ zurück. Ganz im Gegenteil.
Gleichzeitig macht mir die hohe Anzahl an Impfgegner:innen sorgen. Ihre Rücksichtslosigkeit macht mich wütend. Warum diskutieren wir überhaupt noch über Sinn und Unsinn einer Impfung?
Und die Politik macht mich wütend, weil sie die Testpflicht abgeschafft hat. Denn mittlerweile dürfte doch allen klar sein, dass auch Geimpfte ein Virusträger:innen sein können und damit ein Risiko sind. Geimpfte von der Testpflicht und/oder Quarantänepflicht zu befreien ist absurd.
Memo an uns selbst: Selbst aktiv werden. Selbst testen. Selbst Verantwortung übernehmen. Selbst Gehirn einschalten.

Herzlich willkommen im PFLEXIT.
Woraus sich bei mir Wut Nummer 3 bildet:
Denn weniger Getestete und/oder Geimpfte bedeutet folglich auch den Anstieg der Infektionszahlen und der Intensivpatient:innen. Aber, und das ist wohl Vielen nicht wirklich bewusst: Es bedeutet auch eine steigende Anzahl an Pflegefachkräften, die sich vor, während oder nach dieser 4. Welle gegen ihren Beruf entscheiden werden.
https://www.mdr.de/brisant/corona-krankenhaus-leisnig-100.html
„PFLEXIT“ -also der EXIT aus dem Pflegeberuf– geht mit dem nichts Tun der Politik einher.
Aktuell fehlen rund 200.000 Pflegefachkräfte in Deutschland. 2030 wird die Zahl bei bereits geschätzten 500.000 liegen. Der Notruf an die Politik, endlich etwas gegen das erschöpfte Pflegesystem zu tun, wird leider schon zu lange überhört oder sogar bewusst ignoriert?
Die Arbeitsbelastung ist immens und dazu fehlt Personal an allen Ecken und Enden. Die 4. Welle geht ebenfalls ganz klar auf den Nacken der Politik. Auf ein klares Versagen. Denn jetzt sind es (mal wieder) unsere Pflegefachkräfte, die zurück bleiben und das politische Stagnieren ausbaden.
Wir steuern immer weiter auf einen PFLEXIT zu, der am Ende dafür sorgt, dass unser Gesundheitssystem nicht weiter stabil bleiben kann.
Die Berliner Charité hat bereits alle planbaren OP’s auf Grund der steigenden Anzahl von Covid-19 Patient:innen abgesagt. Ein weiterer entscheidender Grund dafür ist, dass die Zahl der betreibbaren Intensivbehandlungsplätze immer weiter sinkt. https://www.tagesspiegel.de/berlin/viele-covid-19-patienten-volle-intensivstationen-berliner-charite-verschiebt-nahezu-alle-planbaren-operationen/27782884.html
Zum Einen, weil die Infektionsquote bei Kindern weiter steigt. Das Ergebnis davon ist, dass vor allem unsere weiblichen Pflegefachkräfte zu Hause bleiben und folglich im Job fehlen. Zum anderen werden in der kalten Jahreszeit viele Menschen, ja, auch Fachkräfte, häufiger krank oder stecken sich sogar selbst mit dem Virus an und fallen somit aus.
Noch dramatischer ist aber, dass der PFLEXIT auch hier wieder zuschlagen wird. Fachkräfte, die wir nicht nur temporär, sondern wahrscheinlich für immer aus der Branche verlieren werden.

Diese Reduktion der Behandlungsplätze verschärft die aktuelle Lage natürlich aktuell extrem.
Im Übrigen habe ich während meiner Recherche eine Befragung aus 2019 des F&B Karrierenetzwerks Gronda mit über 1000 Teilnehmer:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz entdeckt, die ein verheerendes Ergebnis lieferte. Von über 1000 Befragten Intensivfachkräften gaben fast 40% überzeugt an, innerhalb der nächsten 5 Jahre den Beruf verlassen zu wollen.
https://business.gronda.eu/ueber-40-der-fb-fachkraefte-denken-darueber-nach-die-branche-zu-wechseln/
Ich möchte gar nicht wissen, wie viel Fachkräfte sich wohl heute bei solch einer Befragung gegen ihren Beruf entscheiden würden.
Wenn es jetzt bei Dir gerade klingelt, wann denn endlich bei unserer Regierung?
Wir steuern immer weiter auf einen PFLEXIT zu, der am Ende dafür sorgt, dass unser Gesundheitssystem nicht weiter stabil bleiben kann.
Warum gibt es diese extreme Entwicklung in der Pflege?
Die Flucht unserer Pflegefachkräfte hat nichts damit zu tun, dass sie ihren Job nicht lieben. Ganz im Gegenteil. Sie sind Pflegefachkräfte aus Überzeugung. Aber: Es fehlt schlichtweg das Vertrauen in unsere Politik wichtige Veränderungen herbeizuführen und Wertschätzung zu leben. Wahrscheinlich haben etliche Pflegefachkräfte bereits die Hoffnung auf Besserung verloren. Denn Versprechungen, endlich für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen, verliefen bisher alle ins Leere. Andere, scheinbar wichtigere Themen erhalten immer Vorrang.
Und jetzt mal im Ernst: Wer soll da aktuell noch an echte Wunder durch einen Regierungswechsel glauben?
Immer wieder wird vor allem der schlechte Verdienst der Fachkräfte als entscheidender Grund für den Ausstieg aus dem Beruf sowie eine dauerhafte Unzufriedenheit vorgeschoben. Die Bezahlung war noch nie der ausschlaggebende Faktor für den Entschluss, eine Ausbildung als Pflegefachkraft zu beginnen. Und die Bezahlung war auch schon vor Jahren nicht angemessen. Leider.
Aktuell ist dieser Beruf aber nur noch eines: Zu unattraktiv! Das ist die bittere Wahrheit. Und der Grund für unseren akuten Fachkräftemangel.
Zu viele Überstunden. Zu wenig Kolleg:innen. Zu viele leere Versprechungen. Zu hohe psychische Belastung. Zu wenig Flexibilität. Zu viel Aufopferung. Zu wenig Wertschätzung.
Und damit: Zu viele Gründe für einen PFLEXIT.

Was natürlich dazu führt, dass zu wenig junge Leute sich überhaupt für den Beruf entscheiden. Und Diejenigen, die wir aktuell noch an der Front haben, entscheiden sich vermehrt aktiv gegen ihren eigentlichen Traumjob oder reduzieren ihre Stunden.
Fazit: Wir befinden uns also wahrhaftig in einem Teufelskreis, dessen Auswirkung uns alle betrifft.
NOTSTAND, KRISE, HILFERUFE. Wie schlimm kann es jetzt eigentlich noch kommen?
Pflegekräfte sind besorgt. Die Versorgung ihrer Patient:innen ist gefährdet.
Die Patientensicherheit und das Patientenwohl steht auf dem Spiel. Die 4. Welle beschleunigt all das natürlich stark. Menschen, die diese besondere soziale Ader in sich tragen sind anderen Menschen sehr stark verbunden. Gut für die Patient:innen und alle Arbeitgeber aus der Branche, schlecht für die Fachkräfte selbst. Ich weiß aus meinen täglichen Gesprächen mit Bewerbern und Unternehmen, dass, trotz der aktuellen Umstände, die Bereitschaft für den Job und die Bemühungen für eine bestmögliche Versorgung immer noch vorhanden ist und gute Arbeit geleistet wird.
Gute, aber nicht immer qualitativ hochwertige – und vor allem keine erfüllende Arbeit. Es fehlt nämlich die Zeit für Qualität und Herz. Das setzt einen menschlichen Prozess in Gang. Die positive Einstellung bröckelt und damit leider verbunden auch die Qualität.
Was verändert dieser Umstand bei einer Pflegefachkraft?
Die Entstehung von extremen Leidensdruck. Die hohe physische und psychische Belastung macht sie selbst krank.
Wie lange hält man es wohl aus, täglich unglücklich, unzufrieden und mit puren Selbstzweifeln geplagt seine Schicht zu beenden?
Manche – und das sind mittlerweile viel zu Viele – haben sich bis zu ihrer Belastungsgrenze und darüber hinaus geopfert. Für Dich, für mich, für Andere. Und Warum? Weil auch hier der soziale Gedanke eine große Rolle spielt: Ihr Team.
Ist das Team unterbesetzt, wagen es viele Pfleger:innen nicht, Überstunden abzulehnen oder gar die Erkältung vernünftig auszukurieren. Mangelhaft besetzte Teams sind ein echtes Problem, weil sie langfristig schädigen. Und zwar nicht nur die betroffene Pflegekraft, sondern eben das Ganze System. Das wirkt sich natürlich auch auf den Patient:innen aus.

Ist der Pflexit überhaupt noch zu stoppen?
Der Pflegenotstand ist kein neues Thema. Eine enorme Expansion hat seit der globalen Pandemie stattgefunden. Die Anzahl von unbesetzten Stellen im Gesundheitswesen nimmt von Tag zu Tag immer mehr zu.
Gefühlt entscheidet sich die Politik weiterhin für die gleiche Herangehensweise. Getreu dem Motto: „nichts hören“, „nichts sehen“, „nichts wissen“ wollen. Weg schauen und abwarten. Das Ergebnis davon ist, dass noch mehr Fachkräfte die Branche verlassen werden. Bravo!
Wir brauchen grundlegende Veränderungen für unser Gesundheitssystem.
Mehr als 4.000.000 Menschen sind nach aktuellem Stand bereits pflegebedürftig. Darunter fallen noch keine (Covid-/Intensiv-)Patienten, die in den Krankenhäusern derzeit versorgt werden. Die „Baby-Boomer“ Generation wird in den nächsten Jahren in Rente gehen. Jetzt schon ist ihre pflegerische Versorgung gefährdet.
Wenn keine große Reform in den nächsten Jahren auf den Weg gebracht wird, wird sich die Versorgungslage weiter dramatisch zuspitzen.
Die Frage ist also: Gibt es überhaupt noch eine Genesung für das Gesundheitswesen?
Ja! Aber nur dann, wenn wir Menschen wieder vor Profit stellen.

Hast Du als Fachkraft schon aufgegeben oder kämpfst Du noch?
Beim Austausch mit unseren Bewerber:innen fällt mir immer wieder eins auf: Der schwierigste Gegner in dieser Phase sind sie selbst. Denn hier spielen die Faktoren Loyalität, Teamgeist und soziales Engagement eben eine wichtige Rolle. Und so wird sich weiter aufgeopfert. Tag für Tag und Schicht für Schicht. Und gehofft. Gehofft, dass bald Besserung eintritt.
Das Gedankenkarussell dreht sich aber immer weiter: Kündigen? Stunden reduzieren? Warum nicht lieber eine ganz andere Branche?
Weil wir Dich brauchen! Weil wir es ohne Dich nicht schaffen! Weil Du genau für diesen Job geboren wurdest.